Entscheiden & Vertrauen.

Zwei Paare begeben sich auf eine Wanderung. Als sie zur ersten Weggabelung gelangen, spielen sich folgende Szenen ab:

Paar 1: “Wie geht es weiter? – “Weiß ich nicht. Ich dachte du hast den Plan!” – “Ja schon… aber diese Gabelung ist nicht eingezeichnet.” – “Lass mich einmal sehen. Ja stimmt.” – “Gefühlsmäßig würde ich sagen, es ist der rechte Weg.” – “Warum? Das finde ich unlogisch. Müsste es nicht der linke Weg sein?” – “Wie kommst du darauf?” usw. – Die Beiden diskutieren 10 Minuten miteinander bis Einer nachgibt und die Entscheidung (aus welchen Gründen auch immer) für einen der Wege getroffen wird. Die Stimmung ist nicht mehr so gut wie zu Beginn der Wanderung und außerdem begleitet sie eine gewisse Unsicherheit, ob denn der gewählte Weg nun der Richtige ist.

Paar 2 kommt einige Zeit später an dieselbe Gabelung: “Komisch. Diese Gabelung ist auf der Karte gar nicht eingezeichnet.” – “(…)” – “Lass mich kurz überlegen, wie wir am besten weitergehen. Ja! Ich denke, der rechte Weg müsste es sein.” Der Eine folgt dem Anderen. Beide gehen frohgemutes weiter und denken nach kurzer Zeit bereits nicht mehr an die Gabelung.

Was hat sich hier gerade abgespielt? Wir sind “Zeugen” zweier Situationen geworden, wie sie uns – wahrscheinlich mehrmals am Tag – in dieser oder anderen Form in Beruf und Freizeit begegnen: es sind Entscheidungen zu treffen!

Wir machen im Leben immer wieder die Erfahrung, dass von uns getroffene Entscheidungen (sofern diese unmittelbar eine oder mehrere weitere Personen betreffen) oft nicht einfach hingenommen, sondern detailliert hinterfragt und sogar angezweifelt werden. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab: Vertrauen, Status, Dringlichkeit, Ausmaß, Wichtigkeit, Vergangenheit usw.

Weiters erleben wir, dass manche Menschen unseren Entscheidungen besser folgen können als andere und oft erleben wir es als sehr “mühsam” unsere Entscheidungen immer wieder begründen zu müssen und auf dem eingeschlagenen Weg nur sehr langsam voranzukommen. – Auf der anderen Seite ist es sehr befreiend, wenn unsere Entscheidungen Zuspruch finden und wir Hilfe bei der Umsetzung bekommen oder uns die Umsetzung sogar abgenommen wird!

Klar, werden nun Manche sagen: “Ich mag gar nicht so viele Entscheidungen treffen"! und Andere wieder: “Ich treffe gerne Entscheidungen und bestimmte damit wo es lang geht!”. – Beides ist völlig legitim und funktioniert auch gut – außer eben, wenn zwei “Ich will entscheiden”-Typen aufeinander treffen bzw. zwei “Ich will nicht entscheiden”-Typen. – Jeder von uns kennt solche Situationen bzw. hat ihnen schon einmal beigewohnt. Das kostet dann meistens sehr viel Energie und in vielen Fällen ist der Eine oder Andere (oder beide) mit dem Ergebnis nicht zufrieden.

Folgen & Führen

Einfacher ist es da schon, wenn Einer führt und der Andere ihm folgt. Das geht aber nur, wenn das entsprechende Vertrauen da ist – und zwar auf beiden Seiten!

Leichter gesagt als getan – die Realität sieht oft so aus: Mitarbeiter haben beispielsweise kein Vertrauen in die Führungskraft (“Was hat er/sie sich nun wieder ausgedacht!” usw.) und Führungskräfte mangelt es oft an Vertrauen in ihre Mitarbeiter (“Wenn man nicht alles selber macht, …”) – ähnliche Beispiele lassen sich auch in der Partnerschaft usw. finden.

Wie aber baut man das notwendige Vertrauen zueinander auf? Wie bei so vielen Dingen ist es im ersten Schritt notwendig, bei sich selbst anzusetzen. Stellt euch daher folgende Fragen:

– Wie sehr bzw. wie gerne vertraue ich grundsätzlich Anderen?

– Wie sehr vertraue ich meinen eigenen Entscheidungen?

– Treffe ich gerne Entscheidungen bzw. gibt es Themen, bei denen ich grundsätzlich ungern Entscheidungen treffe? Welche Themen sind das?

– Gibt es derzeit Themen in meinem Leben die einer Entscheidung bedürfen? Warum habe ich sie noch nicht getroffen?

Im nächsten Schritt (oder auch umgekehrt) ist folgende Übung sehr hilfreich: Nimm einen Tag lang bewusst wahr, wenn von dir Entscheidungen getroffen werden bzw. getroffen werden sollten und wenn du der Entscheidung von Anderen folgst bzw. nicht folgst. – Die daraus gewonnen Erkenntnisse können dir dein Leben ungemein vereinfachen! Mit etwas Übung wirst du schon bald feststellen, wo deine Energie hinfließt und ob du sie gut einsetzt!

Über Erfahrungsberichte freue ich mich sehr! :-)

Harald Karrer
      4 Kommentare      
12.05.2010

4 comments on “Entscheiden & Vertrauen.

  1. Tom on said:

    Wie wäre es mit der Unterscheidung:
    „Ich WILL Entscheidungen treffen“ und „ich KANN Entscheidungen treffen“ ?
    Dann gäbe es den konfliktbelasteten Fall „will entscheiden/will entscheiden“ nicht mehr, da nicht jeder auf seiner Entscheidung beharren würde.

    Außerdem wäre es nicht uninteressant mal zu beleuchten, ob denn jemand nur weil er Entscheidungen treffen WILL, dies auch KANN. Denn das KANN setzt die Fähigkeit dazu voraus, was wiederum das (auf Vertrauen) aufgebaute FOLGEN der Anderen sowie das ZEIGEN eines Weges impliziert (nicht immer ist die Kreuzung so offensichtlich).

    Echt fies, dass immer alles so kompliziert sein muss… ;-)

  2. Lothar on said:

    Dass man Entscheidungen jemandem überlässt dem man vertraut sehe ich genauso. Vertrauen hat man denjenigen gegenüber die in der Entscheidungssache schon Kompetenz bewiesen haben oder in diesem Bereich Erfahrung haben. Das sehe ich fast täglich an meinen Kindern die ja noch intuitiv wählen und nicht lange darüber nachdenken. Da wird von Ihnen halt in manchen Fragen meine Frau als kompetent gesehen und in anderen ich. Und so werde mal ich und mal sie für Entscheidungen herangezogen.

    Kommt es aber nicht auch sehr drauf an, wie wichtig ich die Entscheidung bzw. deren Auswirkungen auf mich selbst einschätze? Wenn ich glaube, dass die Entscheidung große Auswirkungen auf mich haben wird, werde ich doch immer versuchen selbst die Entscheidung zu treffen oder so viel wie möglich in meinem Sinn zu beeinflussen und mein Schicksal selbst in die Hand nehmen, egal wie sehr ich dem anderen vertraue. Wenn mir egal ist wie entschieden wird lass ich halt die anderen machen und vergeude keine Energie.

    Ein weiterer Punkt sind meiner Meinung nach sehr persönliche Entscheidungen, vor allem im privaten Umfeld. Da gibt es viele, die man nicht fremdentscheiden lassen kann. Wer kennt mich denn so gut wie ich? Man kann zwar Rat einholen, entscheiden muss man schlussendlich aber selbst. (Soll ich heiraten/mich scheiden lassen, den Arzt wechseln etc.)

    Und dann gibt es noch Situationen wo einfach keiner da ist, der für mich entscheidet. (Greife ich ein, wenn ich sehe, dass jemand in der sonst menschenleeren Zugstation gerade von einer Rocker-Gang beraubt wird?)

    Alles in allem aber ein spannendes Thema die Entscheidungsfindung.

  3. Harald Karrer on said:

    @ Lothar & Tom: Danke für eure tollen Überlegungen! Es freut mich, dass euch dieser Artikel zum Nach-Denken angeregt hat. :-) Bin schon gespannt, was sich diesbzgl. noch so tut! LG & auf bald.

  4. Horus on said:

    Ja das ist schon alles sehr komplizert. Aus meiner Sicht liegt das Problem aber durchaus noch ein wenig tiefer. Ich will zwar keine Henne-EI Diskussion vom Stapel treten, aber die Frage stellt sich wohl unweigerlich:
    Muß ich vertrauen um zu entscheiden mich führen zu lassen? Oder muß ich ich mich entscheiden zu vertrauen? Und falls zweiters – wie treffe ich die Entscheidung zu vertrauen – denn das Problem ist ja wohl eine Entscheidung zu treffen – sowohl die mich führen zu lassen (oder zu führen) bzw. zu vertrauen.

    Past performance als Indikator herzunehmen (wie das der gute Lothar beschreibt) ist sicherlich eine passable Grundlage – gibt aber wenig Chance auf Neues – denn etwas Neues bietet eben noch keine Erfahrungswerte –

    Wahrscheinlich liegt der Schlüssel in den Eigenschaften Mut, VERtrauen und ZUtrauen. – aber auch dafür muß man sich wohl entscheiden. :-)

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